s [ Pobierz całość w formacie PDF ]

Einsamkeit entgegen.
24
Dieser Pol,
numlich der menschenfernste Punkt
des ganzen Kunigreichs,
befand sich im Zentralmassiv der Auvergne, etwa funf Tagesreisen sudlich von
Clermont, auf
dem Gipfel eines zweitausend
Meter hohen Vulkansnamens Plomb
du Cantal.
Der Berg
bestand aus einem
riesigen Kegel bleigrauen Gesteins und war
umgeben von einem endlosen, kargen, nur von
grauem Moos und grauem Gestrupp
bewachsenen Hochland, aus dem hier und da
braune
Felsspitzen wie verfaulte
Zuhne
aufragten
und
ein
paar
von
Brunden
verkohlte Buume.
Selbst
am
helllichten Tage war diese Gegend von so trostloser Unwirtlichkeit, dass der
urmste
Schafhirte
der
ohnehin
armen Provinz
seine
Tiere nicht
hierher
getrieben hutte. Und bei Nacht gar, im bleichen Licht des Mondes, schien sie
in ihrer
gottverlassenen ude nicht mehr von dieser Welt zu sein. Selbst der
weithin gesuchte auvergnatische
Bandit Lebrun hatte es
vorgezogen, sich in
die
Cevennen durchzuschlagen und dort ergreifen
und vierteilen
zu lassen,
als sich am
Plomb
du
Cantal zu verstecken,
wo
ihn
zwar
sicher niemand
gesucht
und
gefunden hutte,
wo er aber
ebenso sicher
den
ihm schlimmer
erscheinenden
Tod
der
lebenslangen
Einsamkeit
gestorben
wure.
In
meilenweitem Umkreis
des Berges
lebten kein
Mensch und
kein ordentliches
warmblutiges Tier, bloß ein paar Fledermuuse
und ein
paar
Kufer und
Nattern. Seit Jahrzehnten hatte niemand den Gipfel bestiegen.
Grenouille erreichte den Berg in einer Augustnacht des Jahres 1756. Als
der Morgen graute, stand er auf dem Gipfel. Er wusste noch nicht, dass seine
Reise hier zu Ende war. Er dachte,
dies sei nur eine Etappe auf dem
Weg in
immer noch reinere Lufte,
und
er drehte sich im Kreise und
ließ den
Blick seiner
Nase
uber
das
gewaltige Panorama
des
vulkanischen udlands
streifen:
nach Osten hin, wo
die
weite Hochebene von Saint-Flour und
die
Sumpfe des
Flusses Riou lagen; nach
Norden hin, in
die Gegend, aus der er
gekommen
und
wo
er tagelang durch
karstiges Gebirge
gewandert war; nach
Westen, von woher der leichte Morgenwind ihm nichts als den Geruch von Stein
und hartem Gras entgegentrug; nach Suden schließlich, wo die Ausluufer
des
Plomb
sich
meilenweit hinzogen
bis
zu
den
dunklen Schluchten
der
Truyere.
uberall,
in
jeder
Himmelsrichtung,
herrschte
die
gleiche
Menschenferne, und zugleich hutte jeder
Schritt
in
jede
Richtung
wieder
grußere Menschennuhe
bedeutet. Der Kompass
kreiselte.
Er
gab keine
Orientierung mehr an. Grenouille war am Ziel. Aber zugleich war er gefangen.
Als die Sonne aufging, stand er immer noch am gleichen Fleck und
hielt
seine Nase
in
die Luft.
Mit verzweifelter Anstrengung
versuchte er,
die
Richtung
zu erschnuppern, aus der das bedrohlich Menschliche
kam, und
die
Gegenrichtung, in
die er weiterfliehen musste. In jeder Richtung
argwuhnte
er, doch
noch einen
verborgenen Fetzen menschlichen Geruchs
zu entdecken.
Doch
da war nichts. Da war nur
Ruhe, wenn man
so sagen
kann, geruchliche
Ruhe. Ringsum herrschte nur
der
wie ein leises Rauschen
wehende, homogene
Duft
der toten Steine, der grauen Flechten und der durren Gruser, und sonst
nichts.
Grenouille brauchte sehr lange Zeit, um zu glauben, was
er nicht roch.
Er war auf sein
Gluck nicht vorbereitet. Sein Misstrauen wehrte
sich lange
gegen die
bessere
Einsicht. Er
nahm sogar, wuhrend die Sonne stieg, seine
Augen
zuhilfe
und
suchte
den
Horizont
nach
dem
geringsten
Zeichen
menschlicher
Gegenwart
ab, nach
dem
Dach
einer Hutte,
dem
Rauch eines
Feuers,
einem Zaun,
einer Brucke, einer Herde. Er hielt die
Hunde an
die
Ohren und lauschte, nach dem Dengeln
einer Sense etwa oder dem Gebell eines
Hundes oder dem Schrei eines Kindes. Den ganzen Tag uber verharrte er in der
gluhendsten Hitze auf dem Gipfel
des Plomb du Cantal und wartete vergeblich
auf das kleinste Indiz. Erst als die Sonne
unterging,
wich sein Misstrauen
allmuhlich einem immer
sturker
werdenden Gefuhl
der Euphorie: Er war
dem
verhassten Odium entkommen!
Er war tatsuchlich vollstundig
allein! Er
war
der einzige Menschauf der Welt!
Ein ungeheurer Jubel
brach in ihm aus. So wie ein Schiffbruchiger nach
wochenlanger
Irrfahrt
die
erste
von Menschen
bewohnte Insel
ekstatisch
begrußt, feierte Grenouille seine Ankunft auf dem Berg der Einsamkeit.
Er schrie
vor Gluck. Rucksack, Decke, Stock warf er
von sich und trampelte
mit
den Fußen auf den
Boden, warf die Arme in
die Huhe,
tanzte
im
Kreis, brullte
seinen
eigenen Namen in alle vier Winde, ballte die Fuuste,
schuttelte sie triumphierend gegen das
ganze weite unter
ihm liegende Land
und gegen die sinkende Sonne, triumphierend, als hutte er sie persunlich vom
Himmel
verjagt. Er
fuhrte sich auf wie
ein Wahnsinniger, bis
tief in die
Nacht hinein.
25
Die nuchsten Tage verbrachte er damit, sich auf dem Berg einzurichten -
denn das stand fur ihn fest, dass er diese begnadete Gegend so schnell nicht
mehr
verlassen wurde. Als erstes schnupperte
er nach Wasser und fand es in
einem Einbruch etwas unterhalb
des Gipfels, wo es
in einem
dunnen Film am
Fels entlangrann. Es
war nicht viel, aber wenn er geduldig eine Stunde lang
leckte, hatte er seinen
Feuchtigkeitsbedarf fur einen Tag gestillt. Er fand
auch Nahrung,
numlich kleine Salamander und Ringelnattern, die
er, nachdem
er ihnen
den Kopf
abgeknipst hatte,
mit Haut und Knochen verschlang. Dazu

er
trockene
Flechten
und
Gras
und
Moosbeeren.
Diese
nach
burgerlichen
Maßstuben
vullig
undiskutable Ernuhrungsweise verdross
ihn
nicht im mindesten.
Schon in den letzten Wochen
und Monaten hatte
er
sich nicht mehr
von
menschlich gefertigter Nahrung wie Brot und
Wurst und
Kuse
ernuhrt, sondern, wenn
er
Hunger verspurte, alles zusammengefressen,
was
ihm
an irgendwie Essbarem
in die Quere gekommen
war.
Er
war nichts
weniger
als ein Gourmet. Er hatte
es uberhaupt nicht mit dem
Genuss, wenn
der Genuss in
etwas anderem als dem
reinen kurperlosen Geruch bestand.
Er
hatte es auch nicht mit der Bequemlichkeit und wure zufrieden gewesen,
sein
Lager auf blankem Stein einzurichten. Aber er fand etwas Besseres.
Nahe der Wasserstelle
entdeckte er
einen naturlichen
Stollen, der in
vielen engen
Windungen
in
das Innere des Berges fuhrte, bis er nach
etwa
dreißig
Metern an
einer
Verschuttung
endete.
Dort,
am
Ende
des
Stollens, war es so eng, dass Grenouilles Schultern
das Gestein
beruhrten,
und so niedrig, dass
er nur
gebuckt
stehen konnte. Aber er konnte sitzen,
und
wenn
er
sich krummte,
konnte
er sogar liegen.
Das
genugte
seinem
Bedurfnis nach Komfort vollkommen. Denn der Ort
hatte unschutzbare Vorzuge:
Am Ende des Tunnels herrschte selbst
tagsuber
stockfinstere Nacht,
es war
totenstill, und die Luft atmete eine feuchte, salzige Kuhle. Grenouille roch [ Pobierz całość w formacie PDF ]

  • zanotowane.pl
  • doc.pisz.pl
  • pdf.pisz.pl
  • srebro19.xlx.pl